Endlich wieder Testen ohne Termin möglich
Langer Mittwoch bei der Hagener AIDS-Hilfe - behalte den Durchblick
Langer Mittwoch bei der Hagener AIDS-Hilfe - behalte den Durchblick
Drei Menschen aus Hagen sind im vergangenen Jahr 2022 an den Folgen einer nicht erkannten HIV-Infektion gestorben. Ein wenig reibe ich bei solchen Meldungen die Augen, denn in Deutschland stirbt heute kaum einer mehr an Aids, 2022 waren es in Deutschland insgesamt rund 300 Menschen bei rund 91.000 HIV-Positiven (Robert-Koch-Institut). Die Behandlung einer HIV-Infektion ist Dank stetiger Forschung denkbar einfach geworden und bei mehr als 96 Prozent aller Fälle sehr erfolgreich und arm an Nebenwirkungen. Vielen Infizierten reicht eine ein- bis zweimal tägliche Tabletteneinnahme oder sogar eine sogenannte Depotspritze, die für einen Zeitraum eines Monats den Medikamentenspiegel so hoch hält, dass noch nicht einmal andere angesteckt werden können. Allerdings gehört dazu, dass man von seiner Infektion weiß. Ein Grund mehr, sich als sexuell aktiver Mensch regelmäßig auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen untersuchen zu lassen.
Auch das geht relativ unkompliziert durch einen Besuch z.B. in der Beratungsstelle Durchblick bei der AIDS-Hilfe. Hier beraten und untersuchen die Mitarbeiter täglich HIV- und STI (sexual tansmitted infections) und erklären, wie sich ein Mensch individuell am besten schützen kann. Tagsüber braucht man dazu einen Termin. An jedem dritten Mittwoch von 17:30 bis 19:30 Uhr darf man einfach so vorbeikommen. Ganz ohne Termingedöhns und Ausfüllen irgendwelcher Internetformulare.
Es gibt viele Gründe, für solche Untersuchungen. Nicht nur, um eine Infektion frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Selbst wer noch nicht infiziert ist und gar nicht mit dem Kondom klarkommt, kann sich vor HIV mit Medikamenten schützen. Um diese nicht dann aber nicht selbst bezahlen zu müssen, braucht man in Deutschland einen kassenberechtigten Arzt mit Zusatzausbildung. In Hagen ist das nicht so einfach, wie zum Beispiel in den Nachbarstädten Herdecke oder Dortmund. Deswegen hilft auch hier die Hagener AIDS-Hilfe, indem sie den berechtigten Schwerpunkt-Behandlern die Untersuchungsergebnisse zur Verfügung stellt und den Interessierten so zusätzliche Wege erspart.
Auch andere Krankheiten, die lange als schwer heilbar galten – wie Hepatitis C – lassen sich heute meist mit den richtigen Medikamenten besiegen. Und vor allem am „Langen Mittwoch“ erkennen.
Ist HIV oder sind sexuell übertragbare Infektionen bei Hagenern heute überhaupt noch ein Thema? Vor welchen Geschlechtskrankheiten fürchtet sich Hagen?
Sieben Menschen aus Hagen und Umgebung, haben hier ihre kurze Geschichte berichtet, wie sie zu diesem Thema stehen und wie sie zur Beratung der AIDS-Hilfe gekommen sind und so „Durchblick“ gewonnen haben. Die Namen haben wir frei erfunden, die Stories dazu sind aber wahr und wurden so von den Betroffenen selbst erzählt
Kevin, 24 Jahre: „Hätte ich keine Angst davor, würde ich mich durch die halbe Welt – Ihr wisst schon was!
Ich lebte erst kurz in Haspe und damit in der Nähe meiner heimlichen Affäre.
Nach vier Monaten lud meine Affäre mich zum Essen ein. Er wolle mir etwas erzählen. An diesem Abend sagte er mir, dass er HIV-positiv ist. Wir hatten es bis dahin immer geschützt gemacht, deswegen hatte ich auch keine Angst.
Als ich meiner Hetero-Freundin davon erzählte, sagte die trotzdem: "Ach du scheiße, du musst jetzt sofort Schluss machen." Aber er war ja in Behandlung. Dadurch ist das Ansteckungsrisiko sehr gering (Infos der Deutschen AIDS-Hilfe)
Ich hatte immer so ein Bild vor Augen von Leuten, die HIV-positiv sind, dass man es ihnen ansieht – auch wenn ich weiß, dass das Quatsch ist. Er war schon ein smarter Typ. Letztlich wurde es nichts mit der Beziehung. Das hatte allerdings eher andere Gründe.“
Songül, 36 Jahre: „Ich hatte mit jungen 18 Jahren ungeschützten Sex.
Ich lebte in Altenhagen und meine Eltern sind weder religiös noch sonst wie traditionell. Aber hier steht man als junge Türkin trotzdem unter Beobachtung der Nachbarn. Da war man froh, wenn man überhaupt „irgendwas mit Sex“ erleben konnte. Wir feierten meinen 18. Geburtstag mit der Clique deswegen etwas abgelegen von der Stadt, oben an den Denkmälern. Wo ein Wille ist, ist auch ein Gebüsch, wie man so sagt. Wir hatten natürlich keine Gummis mehr aber umso mehr Alkohol und ich fragte den Typen, ob er safe ist – dabei wusste ich gar nicht, was man alles bekommen kann. Auf jeden Fall habe ich mir direkt etwas eingefangen. Tripper und einen Pilz. Meine Mutter war nicht wirklich erfreut und meinem Papa haben wir das gar nicht erst erzählt. Mama schleppte mich in die AIDS-Hilfe. Das war gut, denn keiner stellte peinliche Fragen. Ich habe auch vorsichtshalber nicht gefragt, woher meine Mutter die Leute eigentlich kannte. Sie hatte wohl vor vielen Jahren, als ich noch klein war, mit ein paar anderen Frauen einen Kurs da gemacht.
Geheiratet habe ich übrigens nicht. Gut, dass meine Eltern mir da immer schon viele Freiheiten ließen. Heute habe ich ziemlich Angst vor HIV, sonst würde ich meine Freiheit als Frau viel mehr ausnutzen. Ich will keinen ungeschützten Sex mehr mit Menschen haben, die ich nicht kenne. Egal wie viel ich getrunken habe.
Samantha 45 Jahre: „Am liebsten würde ich die Kondome in der Leuchtvitrine aufstellen und hochhalten.
Nach vielen Ehejahren mit einem Mann weiß ich seit meiner Scheidung endlich, was ich bin bzw. was ich liebe. Ich bin seit einem Jahr in einer festen und monogamen Beziehung mit einer Frau. Wir haben über das Thema HIV gesprochen und uns testen lassen. Wenn wir in einer lesbischen Frauenrunde zusammensitzen, dann ist HIV allerdings kein großes Thema. Dann heißt es eher: Eh, sag mal, schon wieder ein Pilz. Wo kommt der eigentlich her? Haste Antibiotika genommen oder kam es doch vom Sex? Und dann grinsen die meisten der Mädels. Ich arbeite als Barkeeperin in einem Club in der Nähe von Hagen, wo sich viele Frauen und Männer verabreden, bevor sie dann gemeinsam Sex haben. So zum Abchecken halt. Wir haben auch Kondome hinter der Bar, aber es fragt eigentlich kaum jemand danach. Am liebsten würde ich die Gummis in eine Leuchtvitrine packen und hochhalten. Aber am Ende muss jeder selbst wissen, was er oder sie macht. Immerhin konnte ich jetzt meine Cheffin überzeugen, ein Plakat der Beratungsstelle und ein paar Visitenkarten auszulegen. Kondome stehen demnächst ganz beiläufig auf dem Weg zum Klo.“
Jeppe, 24 Jahre; „Die Chance geht gegen Null, dass ich mich damit anstecke.
Meine allererste Freundin und meinen ersten Sex hatte ich mit 14. Damals habe ich noch gar nicht verstanden, was Sexualität überhaupt ist. Immerhin haben wir es nur mit Kondom gemacht. Auch meine heutige Freundin und ich schlafen nur mit Kondom miteinander
Nachdem ich am Gymnasium mein Abi fertig hatte, bin ich mit meiner Hood viel um die Häuser gezogen mal in den Nachbarstädten, einmal sogar extra nach London. Männerurlaub und auf House Partys, wo auch Drogen im Spiel waren. Da landete man schon mal mit wem im Bett, ohne Kondom. Einem Kopf gemacht habe ich mir trotzdem nie.
Bei HIV denke ich zuerst an die Schwulenszene der Achtzigerjahre – aber auch an medizinischen Fortschritt. Ich bin immer noch ganz gut in der Partyszene unterwegs und habe schwule Freunde, man weiß von dem und dem: Die haben das.
Einmal hat mir ein Kumpel beiläufig beim Kaffeetrinken erzählt, dass er einem HIV-positiven Typen einen geblasen und geschluckt hat. Ich verschlkuckte mich darauf hin auch - am Kaffee. Aber der Typ war wohl auf Medikamenten und deshalb nicht ansteckend, vorausgesetzt er hält sich an die Einnahmevorschrift (Deutsche Aids-Hilfe)“
Finn, 43: „Jeder Homo lebt mit HIV – ob er es hat oder nicht
Als ich älter wurde und ich an meinem Hintern mehr Haare bekam, fing das Kondom beim Sex oft an zu brennen. Besonders ohne Gleitgel. Außerdem platzte das Kondom auch öfters mal einfach so. Zwei-, dreimal im Jahr kam es so zu ungeschütztem Sex.
In Wehringhausen, dort arbeitete ich in einer Klinik, hörte ich von HIV-Medikamenten: Wenn man immer diese Pillen schluckt, kann man sich gar nicht erst infizieren, zumindest ist das Risiko bei richtiger Einnahme extrem gering. Aber es hat bestimmt vier Jahre gedauert, bis ich mich dazu entschlossen habe, sie zu nehmen. Ich hatte doch ein bisschen Respekt vor der täglichen Einnahme. Außerdem fand ich es befremdlich im eigenen Haus einen der Docs nach einem Rezept zu fragen.
Damals war ich auch gerade erst nach Hagen gezogen und war noch in der Probezeit. Eines Abends ging ich in den berüchtigten Fun-Park und habe mich auf einen Boy, den ich da nicht erwartet hätte eingelassen. Erst zu Hause auf der Toilette merkte ich, dass dabei das Kondom geplatzt sein musste.
Danach versuchte ich, mir PEP zu besorgen, die Pillen für danach. Aber das war ein Albtraum, im Krankenhaus wollte ich nicht fragen. Irgendwie kam ich trotzdem ran. Der Doc arbeitet mit der AIDS-Hilfe zusammen und ich traf ihn dann beim Testabend. Dass der so cool ist, damit hatte ich nicht gerechnet. Danach habe ich angefangen, die Pillen präventiv zu nehmen.
Ich meine, wie läuft’s denn hier in Hagen? Ein Typ schreibt dir auf Grindr, dass er es nur mit Kondom macht. Dann kommt er vorbei und benutzt doch keins. Und man selbst? Man wirft vor Freude die Beine an die Decke und schweigt und genießt. Man sagt sich zuerst: „Normalerweise mache ich das ja nicht… Danach redest Du Dir das schön. Da ist die PrEP schon die bessere Alternative.“
Inzwischen organisiere ich hier mit anderen auch einen Stammtisch, wo man auch darüber locker reden kann."
Robin, 17: "Es ist etwas total Fremdes. Und deshalb will ich mehr darüber erfahren
Ich hatte noch keinen Sex. Aber das heißt nicht, dass HIV kein Thema für mich ist. Zunächst denke ich erst mal an den Tod, wenn es um HIV geht – auch wenn ich weiß, dass man nicht mehr so schnell daran stirbt und ich auch niemanden kenne, der HIV hat. Aber es kann auch nicht geheilt werden.
Jedes Jahr gibt es bei uns in der Schule ein bis zwei Projekttage mit Aufklärungsunterricht: Wir sitzen dann im Stuhlkreis und jemand von der AIDS-Hilfe und eine Frau von der AWO reden mit uns vor allem über ungewollte Schwangerschaft, aber auch über Syphilis, Herpes und eben auch über HIV.
Ich habe mit Freunden auch schon mal über Aids gesprochen, aber meist verharmlosen wir es wohl etwas. Keine große Gefahr, man kann ja verhüten. Nur einmal packte in der Pause auf dem Schulhof ein Freund spontan aus: Sein Ex sei vielleicht HIV-positiv, deswegen habe er jetzt auch einen Test gemacht, weil sie es ohne Kondom trieben. Ich fand es schockierend, dass sein Ex ihm das nicht persönlich erzählt hat, sondern er das über einen Dritten erfuhr. Aber darum finde ich es auch ziemlich cool, dass die Leute der AIDS-Hilfe sogar mit einem gehen, wenn man sich mal outen müsste."
Anne, 52 Jahre: "Andere Geschlechtskrankheiten sind auch nervig
Seit meiner Scheidung von einem gewalttätigen Mann, weiß ich endlich was ich wirklich bin und will. Ich würde mich schon als sexuell recht aktiv beschreiben, habe aber klare Ansagen. Mein neuer Freund und ich haben die erste Zeit immer mit Kondom miteinander geschlafen. Nach drei Monaten hatten wir aber keine Lust mehr auf dieses Gummigedöhns Wir haben uns auf alle Krankheiten testen lassen und ab da das Kondom weggelassen. Kinder bekomme ich definitiv keine mehr. Den Wechseljahren sei Dank.
Weil wir eine offene Beziehung führen, haben wir vereinbart, dass alle anderen sexuellen Kontakte hundertprozentig geschützt sein müssen. Manchmal fragt mich ein Typ beim One-Night-Stand hoffnungsvoll, ob er wirklich ein Kondom benutzen muss. Ich sag dann einfach nur: Ja. Ohne Gummi – ohne mich.
Der Schutz vor anderen Geschlechtskrankheiten ist für mich genauso wichtig wie der Schutz vor HIV. Denn die sind auch nervig. Selbst wenn man sich behandeln lassen kann, dauert es ewig, bis sie weg sind. Ich möchte mich wohlfühlen in meinem Körper."
Alles Gründe genug, für ein Gespräch oder eine Untersuchung in der Beratungsstelle Durchblick.
Wissta Bescheid? Woll?
Montags bis donnerstags tagsüber mit Termin (Hier klicken)
Oder an jedem dritten Mittwoch im Monat von 17:30 bis 19:30 Uhr. Ohne vorherige Terminabsprache.
Körnerstraße 82c, im Hinterhof.
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